Der Wein mit der Rosette: Blick in Lieschs Weinlager.
Zwischen den Reben spriessen Tomaten, den Boden bedecken Lavendel- und Thymianstöcke, Schmetterlinge flitzen durch die Zweige: In Louis-Heinz Lieschs Rebberg im Malanser Selfenengebiet floriert das Leben. In diesem Jahr habe er sogar noch weniger zwischen den Reben gemäht als früher, und wenn, dann mit der Sense, nur einmal mit dem Schlegelmulcher. Das schont den Boden, anders als schwere Maschinen, die den Untergrund nur verdichten. Er zeigt auf eine mehr als 40 Jahre alte Weinrebe, knorrig wie ein Bonsai steht sie da. In ihrer Jugend war sie noch mit Düngemitteln versorgt worden, doch vor rund 35 Jahren war damit vom einen Tag auf den anderen Schluss. Und das hat auch mit Louis-Heinz Lieschs Mutter Margrit zu tun.
Tomaten und Trauben: Louis-Heinz Liesch im Rebberg.
Schon Vater Louis war zwischen Reben aufgewachsen und arbeitete später unter anderem für das Weinhaus Cottinelli. Nach und nach konnte er Rebberge dazupachten und füllte ab 1982 Wein unter seinem eigenen Namen ab. Damals entstand auch die Etikette, die noch heute auf den Lieschweinen prangt: eine schlichte Rosette, die nach Handwerk aussieht – eine bodenständige, bescheidene Botschaft, die genau zum Weingut passt.
Neben Weinbergen bewirtschafteten die Lieschs früher auch Apfelbäume, aber der Mutter Margrit machte der Giftmitteleinsatz irgendwann ein schlechtes Gefühl: Sie liess ihre Kinder nicht mehr von den eigenen Äpfeln essen. Zur selben Zeit besuchten die Eltern einen der ersten biologisch-dynamischen Weinbaukurse in der Schweiz – sie kamen begeistert zurück und stellten sogleich ihren Betrieb auf biologisch-dynamisch um. Und vor etwas mehr als 20 Jahren sogar auf das noch strengere Demeter-Verfahren, an deren Richtlinien Vater Liesch selber mitgearbeitet hatte.
«Zuerst wurden sie schon schief angeschaut», sagt Sohn Louis-Heinz heute. Er sitzt im Degustationsraum der Lieschs, den man später im Parterre des Einfamilienhauses in Malans einrichtete. Schief, weil die umliegenden Weinbauern skeptisch waren – wenn da plötzlich keine Schädlinge mehr bekämpft werden, könnten sie sich ja ungebremst ausbreiten, war die Befürchtung. Die Diskussionen wurden auch vor Gericht ausgetragen, weiss Liesch, mit dem besseren Ende für die Biobauern.
Mehr Biodiversität: Zwischen den Reben wachsen Kräuter wie Lavendel und Thymian.
Mit den Jahren zeigte sich, dass der Entscheid richtig war: Während Nachbarn an gleicher Lage beispielsweise mit Mehltau zu kämpfen hatten, zeigte sich dieser bei den Lieschs oftmals weniger stark. Und so wurde Vater Liesch zum Experten und Mentor jener Weinbauern, die den Wechsel ebenfalls wagten. «Aber es braucht eben Zeit, bis sich eine Pflanze daran gewöhnt hat, ohne chemischen Dünger zurechtzukommen», sagt Liesch heute. Es sei ähnlich, wie wenn einem Patienten plötzlich die Medikamente abgesetzt werden – ein Schock. Die nötige Geduld habe nicht jeder.
Dass seine Eltern die Geduld und den Mut hatten, es durchzuziehen, dafür ist Louis-Heinz heute dankbar. «Man merkt auch von der Nachfrage her, dass Bio und Regionalität immer mehr gesucht werden», meint er. Dies auch vor dem Hintergrund der Covid-Pandemie, in der sich gerade globale Warenströme als besonders krisenanfällig herausgestellt haben. Dass mehr und mehr Betriebe in der Region auf Bio umstellen, sieht der Weinbauer positiv. Auch wenn die Umstellung langsamer vorangehe als vom Branchenverband gewünscht. Gerade mit Blick auf den Klimawandel gebe es aber keine Alternative, seien doch Bioweinreben auch robuster, wenn es um klimabedingte Wetterschwankungen gehe.
Liesch ist jedoch kein typischer Grüner, wie man meinen könnte. Politisch lasse er sich nicht verorten, er finde bei vielen Parteien gute Dinge, aber auch schlechte – und ohnehin sieht er den Politbetrieb kritisch. Näher liegt ihm das Handwerk, das der ausgebildete Winzer und Küfer von der Pike auf gelernt hat und seit 2008 im elterlichen Betrieb anwendet. Zunächst übernahm er den Keller und nach und nach, als der Vater des Alters wegen sein Pensum reduzierte, auch die Arbeit in den Reben, die er heute mit seinem Bruder Martin teilt. Im letzten Juli ist der Vater im Alter von 87 Jahren verstorben. Mutter Margrit hilft weiterhin aus, wenn Not am Mann ist, etwa wenn Louis-Heinz in den Reben ist und jemand im Degustationsraum bedient werden möchte.
Luis-Heinz Liesch verkostet sein Sortiment im Degustationsraum.
Bei unserem Besuch stellt sich ebenfalls bald einmal Kundschaft ein, eine gute Gelegenheit, um das Lieschsche Sortiment vorzustellen. Da ist natürlich der klassische Blauburgunder, aktuell schenkt Liesch den 2017er-Jahrgang aus, den 2018er füllt er gerade in Flaschen ab. Zudem keltert Liesch Riesling Sylvaner, Schiller und «Malanser Gold», einen Pinot gris. Aber auch Quitten- und andere Brände sind im Sortiment.
Seit der Pandemie hat Liesch eine Zunahme an Onlinebestellungen beobachtet, wie wohl viele andere Branchen auch. Mittlerweile habe er Kunden sogar in der Westschweiz, was früher kaum der Fall war. «Gerade im Sommer 2020 waren viele Westschweizer Weintrinker in unserer Region, das spürt man nun bei der Nachfrage», sagt er.
Wir steigen noch kurz in die Reben hinab, und Liesch zeigt mit diebischer Freude auf die Tomatensträucher, die er an der Stelle von Reben gepflanzt hat. Bevor neue eingesetzt werden, soll sich der Boden erholen, nun experimentiert er erstmals mit Tomaten in der Fruchtfolge. Man merkt schnell, dass ihm die Monokulturen in konventionell bewirtschafteten Weinbergen eine Gräuel sind. «Hier wird man immer mal wieder überrascht. Ich habe schon Walderdbeeren entdeckt», sagt er.