Über kaum ein Thema wurde in den vergangenen Jahren so intensiv diskutiert und Zeitungsseiten gefüllt wie über den Tourismus in Graubünden und seine Chancen. Veraltete Infrastrukturen, hohe Personalkosten, die Loslösung des Schweizer Frankens vom Euro, alles Argumente, die vorgebracht wurden. Millionen wurden und werden in die Werbung für Graubünden investiert, der Erfolg blieb und bleibt aus. Den traditionellen Feriengast von früher, der drei Monate, wie die Familie des Regisseurs Lucino Visconti im Engadin oder zumindest zwei Wochen Ferien, wie Herr und Frau Müller im Bergparadies verbracht hat, gibt es nicht mehr. Das Kundenverhalten heute ist ein anderes. Darauf haben sich viele Destinationen eingestellt: der deutsche Tourismus verzeichnet seit Jahren ein jährliches Wachstum von sechs Prozent. Dazu haben namentlich Städtereisen beigetragen: Hamburg hat sich mit der Elbphilharmonie, die notorisch ausgebucht ist, ein neues Wahrzeichen geschaffen, das Tausende von Gästen anzieht. Berlin ist schon seit Jahren der «Hype»-Ort für Kurzurlaube – namentlich für Jugendliche.
Auch im Schweizer Tourismus sind Städte die Destinationen, mit wachsenden Gästezahlen – wenngleich nicht in der gleichen Höhe wie in Deutschland. Das hat aber zu einem grossen Teil mit Gästen aus der Wirtschaft zu tun, abgesehen von Kulturreisenden, die Schweizer Städte entdecken wollen. Und nicht zu vergessen die Pauschalreisenden (aus Übersee: Japan, China, Indien etc.), die für 10 Tage durch Europa reisen und allenfalls zwei oder drei Nächte Schweizer Städte mit ihren umliegenden Sehenswürdigkeiten besuchen und somit Übernachtungen generieren.
Eine neue Tendenz ist die Frage der Sicherheit. Terroranschläge in Grosstädten haben die Reiselustigen verunsichert – Nizza, Brüssel, London stehen stellvertretend dafür. Aber auch Reisen in sogenannt gefährdete Länder wie Ägypten oder die arabische Halbinsel und die Türkei sind rückläufig: die Strände an der ägyptischen Ostküste oder im Süden der Türkei sind zwar sonnensicher, aber nicht mehr vor politisch ausgetragenen Scharmützeln sicher.
Was können da Bergregionen angesichts der veränderten Marktlage in der Tourismusbranche machen? Sie haben – ob im Südtirol, Österreich, dem Wallis oder in Graubünden häufig, aber nicht immer Sonne, sie sind ein Wander- und Bikerparadies, sie haben Bergseen und sie haben eine Vergangenheit mit Kultur sowie regionale Kulinarik, weitab der Hamburger-Kultur der Grossstädte. Und sie sind sicher! Es ist die Aufgabe der Tourismusverantwortlichen und ihrer Marketingstrategen, dies an die Gäste heranzutragen. Ob dies in Graubünden mit Gian und Giachen weiterhin erfolgen soll und kann, ist fraglich. Allgemeinplätze nützen nichts – Spezialisierung auf bestimmte Themen ist heute gefragt.