Im Bündner Tourismus sind neue Ideen gefragt – und es gibt viele Inspirationen:
Im Safiental wurde das erste Null-Stern-Hotel unter freiem Sternenhimmel eröffnet, die Schlaffass-Initianten in der Bündner Herrschaft vermelden Belegungsrekorde, auf der Alp Flix ist ein kleines Dorf mit Jurten als Gästezimmer eröffnet worden, das ebenfalls Gästerekorde registrieren kann, desgleichen ein Tipi-Zeltdorf in Disentis. All diese Projekte stehen abseits der traditionellen Tourismusinfrastruktur. Auf die «Bever Lodge» – praktisch nachempfunden dem bereits legendären «Riders Palace» in Laax, neu auch die «Guarda Lodge» des ehemaligen TV-Moderators Andri Franziscus zusammen mit seinem Partner Thomas Werren – folgen nun Abenteuerprojekte. Schlafen im Heu ist out – oder bereits etabliert – neue Ideen spriessen im Wald des Tourismusangebots.
Dabei gibt es auch sehr unterschiedliche Preissegmente: Kostet eine Nacht im Null-Stern-Hotel im Safiental mit freier Sicht
auf den Sternenhimmel stolze 250 Franken, so kann eine Nacht im Tipi in Disentis bereits für 60 Franken gebucht werden – beide weisen in ihrem Angebot übrigens
auf warme Kleidung hin. All diese Angebo-
te sind zumeist Nebengeschäftstätigkeiten von Bauernbetrieben: Alfons Cottis Jurten auf der Alp Flix ist ein neues Standbein neben Schafmilchproduktion und Direktzahlungen – und macht bereits einen Drittel seiner Einnahmen aus. In diesem Sommer war er ausgebucht – selbst im Winter zieht das Angebot: Im vergangenen Winter hat der gesamte Tourismus in Graubünden massiv (bis zu 30 Prozent) abgenommen, Cotti hat seinen Umsatz um 30 Prozent gesteigert.
Auch Renata Gadola vom Tipi-Zeltplatz «Fontanivas» – er ist ein Teil des Disentiser TCS-Campingplatzes – kann erfolgreiche Zahlen präsentieren – «die Auslastung der Tipis ist grossartig», sagt sie. Die Tipi-Idee hatte auch schon Alfons Cotti auf der Alp Flix, aber als er die Jurte als Nächtigungsmöglichkeit erstmals erlebte, war für ihn klar: Das ist die Idee – Abenteuertourismus: «Der Trend zurück zu den Wurzeln kommt uns entgegen. Als Bergbauern haben wir beste Voraussetzungen, um solche Sehnsüchte zu stillen.» Für seine Jurtengäste hat er einen Stall zur Gaststube umfunktioniert und ist besorgt, seinen Gästen ein einfaches, heimisches und faires Angebot an Speis und Trank zu offerieren.
Auch das Null-Stern-Hotel im Safiental ist ein neues Tourismuskonzept, das zwei Brüder aus St. Gallen, Frank und Patrik Richlin, entwickelt haben. Dabei ist das Projekt in Thalkirch (Safien) nicht ganz neu: Die beiden Brüder haben schon zuvor mit neuen Übernachtungsmöglichkeiten unter dem Motto «Null Stern – the only star are you» experimentiert, im Safiental aber erstmals unter freiem (Sternen-)Himmel. Das Projekt ist Bestandteil der Aktion «Alps Art Academy» beziehungsweise der Ausstellung «Art Safiental» und wird vom lokalen Tourismusverein unterstützt. Immerhin ist eine Übernachtung auf 1700 Metern über Meer ein Wagnis – bei Regen werden die Reservationen storniert, ansonsten ist – wie schon darauf hingewiesen – warme Kleidung angesagt, die nächste Toilette im Freiluftzimmer ist zehn Minuten entfernt. Der stolze Preis beinhaltet immerhin einen persönlichen Butler – zumeist Landwirte aus dem Tal. Einer der Butler, Marco Waldburger, betont: «Gutenachtlieder werde ich keine vorsingen, das tue ich nur für meinen Junior.»