Das Produkt aus der Natur

Im Engadin wird wieder Kalk gebrannt

Flur- und Ortsnamen wie Chalchera, Chichera, Catgera oder Caltgadira zeugen noch heute von einem Gewerbe, das unterdessen fast ausgestorben ist: dem Kalkbrennen. Überall dort, wo genügend Mengen kalkhaltigen Gesteins an die Oberfläche kommt, wurde früher zur Gewinnung von Mörtel und Putz Kalk gebrannt. Gerade in Graubünden war das Handwerk weitverbreitet. Was es historisch damit auf sich hat, sowohl aus geologischer wie aus kulturgeschichtlicher Sicht, darauf wirft eine neue Publikation des Kulturzentrums Nairs ein Streiflicht, die kürzlich erschienen ist. Ausgangspunkt ist die Entdeckung und Wiederinbetriebnahme eines Kalkofens am Eingang zum Val d’Uina, bei der Zen­trumsdirektor Christof Rösch zugegen war. Auf die Frage von Joannes Wetzel, Maurer und Kalkspezialist, ob man den Ofen nicht restaurieren könnte, antwortete Rösch sogleich mit Ja.

Die Publikation versammelt Beiträge von Rösch selbst, Ueli Fitz und Anne Krauter Kellein, Raimund Rodewald und Nott Caviezel. Dazu gesellen sich Interviews mit Carlo Vagnières und George Steinmann. Und, als Hauptteil des grossformatigen Buchs, eine Bildserie von Myriam Gallo. Neben der Rolle des Kalks innerhalb der Baugeschichte gehen die Texte auf weitere Anwendungen ein, etwa als Haarfärbemittel in der Antike oder als Desinfektionsmittel sowie auf die heutige Verwendung in der Industrie und das Verhältnis von Mensch und Kalk.

Bei der Publikation soll es aber nicht bleiben. So sollen in Sur En da Sent in diesem Sommer 15 Tonnen Kalkstein aufgeschichtet und gebrannt werden. Daraus entsteht ein ökologisch verträgliches und bauhistorisch wichtiges Baumaterial. Hinter dem Vorhaben steht die Vereinigung Kalkwerk, die sich zu einem Kompetenzzentrum für die Herstellung und Verarbeitung des Baustoffs Kalk mit nationaler Ausstrahlung entwickeln soll. Noch bis 12. April findet für die Finanzierung ein Crowdfunding statt.
 

 

Weitere Infos

www.kalkwerk.ch

Myriam Gallo und Christof Rösch (Hrsg.): Calchera – Kalk in Transformation. Verlag Scheidegger & Spiess, 2020, 106 Seiten, CHF 39.–.